Chorin — Brodowin — Unteres-Odertal — Schwedt
Chorin ist ein kleiner und auf Grund seines ehemaligen Klosters mit seinem Kulturprogramm recht bekannter Ort. Wer das Kloster nicht kennt, sollte sich diesen sehr schönen und stilreinen hochgotischen Bau ansehen.
Die Fahrradtour hat eine Länge von 48 km. Ihren Verlauf habe ich auf dem Routenplaner komoot veröffentlicht, der kostenfrei genutzt werden kann.
In Brodowin und Criewen und natürlich auch in Schwedt besteht die Möglichkeit der Einkehr.
Bei warmen Wetter muss man mit vielen Mücken rechnen, ich packe Mückenschutz ein.
Zunächst geht es auf dem alten Amtsweg an den Plagebergen entlang, oh ja, wie oft kalauerte ich, nomen est omen (der Name ist Programm), die Wege zu Beginn sind eine einzige Plage und dennoch fahre ich seit einem Vierteljahrhundert immer wieder dorthin, es ist unendlich schön.
Und das Wort Plage kommt, wie sollte es auch anders sein, aus dem Slawischen und hat einen ganz anderen Sinn: Plawe, der Name eines früheren Ortes.
Auf einer Strecke von 3 km hat man einen gepflasterten Weg. In dem Gelände lagen viele Steine, die für Haus- und Wegebau benutzt wurden. Das Kopfsteinpflaster ist Gestein der Gegend, ich radle da sozusagen über die Exponate einer geologischen Sammlung, das ein unter Schutz gestelltes Kulturdenkmal ist.
Ich befinde mich, man sieht es sofort, keine landwirschaftliche Nutzung, steiniger Untergrund und deutlicher Anstieg, im Bereich der 2. Parsteiner Staffel. doch nun radel ich auf einem Feldweg eine kurze Strecke bequem von der End- auf eine Grundmoräne und kann fast auf den Meter genau deren Übergang angeben. Über die Felder geht es ein kurzes Stück nach Brodowin.
Brodowin ist ein geschichsträchtiger Ort, der nach der Deutschen Vereinigung als Ökodorf überregional bekannt wurde. Neben kleineren biologisch-dynamisch arbeitenden Höfen geht das insbesondere auf den Landwirtschaftsbetrieb Ökodorf Brodowin zurück. In unmittelbarer Folge dessen wuchs die Bevölkerung Brodowins seit der Vereinigung entgegen dem Trend um 10%. Im Hofladen des Landwirtschaftbetriebs lege ich fast immer eine Jause ein.
Danach geht es am 81 m hohen Kleinen Rummelsberg entlang.
- Dies ist ein unbewaldeter Kame, dessen charakteristische Form ich viel besser als die des Os auf der bewaldeten Schildhorninsel erkennen kann.
- Am Fuß des Bergs liegt der Wesensee. Wiederholt sah ich dort große Koloniender recht umstrittenen Kormoranen. Deren Gefieder kann kein Wasser abweisen, weshalb die Kormorane zwischen den Tauchgängen auf Bäumen sitzen, die Flügel spreizen und sich trocknen lassen.
Dieser See ist nicht natürlich, er entstand auf Grund des durch das Fällen von Bäumen vom Menschen verursachten Grundwasseranstiegs. - Am westlichen Horizont ist eine bewaldete Anhöhe zu sehen, der Grumsin. Es handelt sich um eine Stauchendmoräne, die mit Buchen bewachsen ist und zum UNESCO-Welterbe Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas gehört.
Nun geht es nach Osten ins Odertal, bei Stolzenhagen wird die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße genannte Alte Oder überquert und der Internationalpark Unteres Odertal betreten, er umfasst den polnischen Landschaftsschutzpark Unteres Odertal und den deutschen Nationalpark Unteres Odertal. Der Nationalpark Unteres Odertal ist der einzige Auen-Nationalpark Deutschlands.
Um es gleich zu sagen, so wie oben sieht das Odertal nur manchmal während des Frühjahrs- oder Sommerhochwassers aus, schon ganz anders beim Winterhochwasser und erst recht, wenn die Polder trocken sind. Aber dann können sie betreten werden, man sollte jedoch nicht zu schnell radeln und ein Auge für die Natur haben. Eine Fülle von Vogelarten begrüßen einen, vom Hochwasser gezeichnete Bäume stehen oft geduckt am Weg. Viele kleine Tümpel am Rand, kurze tote Gewässerarme, ich bin in einem Nasspolder, der bei Hochwasser geflutet wird.
Das Odertal ist der vorletzte Abschnitt der Oder und erstreckt sich von Hohensaaten, wo das Oderbruch endet, bis nach Szczecin, wo dann der Fluss in das Haff übergeht. Am Ende des ersten Drittels des Odertals liegt Schwedt. Die Oder ist hier Teil des äußerst umstrittenen europäischen Projekts European Waterway E30, das eine Schifffahrt im Euro-Containerformat von Szczecin nach Antwerpen, Bratislava und Odessa vorsieht.
Nach knapp 30 km steht linkerhand auf einem Hügel ein großer Turm. Es ist der Grützpott genannte Stolper Turm. Er war Bestandteil der alten Burganlage und ist mit 18 m Durchmesser der mächtigste Bergfried Brandenburgs. Ein kurzes Stück weiter gelange ich nach Criewen. Dort erwarten mich ein von Lenné gestalteter Park und ein ehemaliges Schloss der von Arnims sowie das Nationalparkhaus mit Oderfisch-Aquarien, Ausstellung und Info-Zentrum.
Nach weiteren 4 km liegt vor mir eine Brücke über ein schmales links nach Westen fließendes Gewässer und auf der anderen Uferseite steht das Eiswachhaus Zützen. Das muss erläutert werden:
An dieser Stelle fließt die Oder östlich nach Norden. Der Wasserverlauf schwenkt dagegen nach Westen Richtung Schwedt. Dies ist der Verlauf der Alten Oder vor der Flussbegradigung, die ich nicht überqueren werde. Dieser Alten Oder folge ich vielmehr in ihrem mäandernden Verlauf 4 km und gelange dann bei Schwedt wieder zur Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße. Nach 1 km durch die Innenstadt Schwedts, das während des Krieges zu 85% zerstört war, erreiche ich den Bahnhof.
Übersichtskarte
Eine hervorragende Karte über nördliches Oderbruch und Unteres Odertal bietet die Nationalparkverwaltung Unteres Odertal zum Herunterladen (2 MB) kostenfrei an.
Weitaus mehr
als ein Reiseführer:
160 Seiten wirklich vertändlich geschrieben. Das Buch enthält grundsätzliche Informationen zu der Gegend, Geschichte, Bewirtschaftung, Naturschutz sowie fünf ausführlich dargestellte Tourenvorschlägen, Anschriften etc. Die fünfte Tour bedarf einer besonderen Erwähnung:
Der Landkulturpfad — Hof Schwalbennest
(auch eine kleine Migrationsgeschichte)
Seit langem habe ich keine Schrift mehr in der Hand gehabt, die auf unsere eigene Migrationsgeschichte deutlich verweist und die Slawen angemessen würdigt.