Eiszeit und Glaziale Serie
Zu Beginn der Erde und während des Erdmittelalters vor 3–400 Mio. Jahren gab es bereits Eiszeiten, d.h., die Polkappen waren vereist. Vor 2,7 Mio. Jahren setzte eine erneute Eiszeit ein, siehe Tabelle zur Erdgeschichte, die bis heute andauert. Während dieser Eiszeit gab es immer wieder Warm- und Kaltzeiten, letztere werden umgangssprachlich “Eiszeit” genannt.
In Mitteleuropa folgten drei Kaltzeiten aufeinander: die Elster-Kaltzeit, dann die Saale-Kaltzeit, die mächtigste mit Ablagerungen von bis zu 100 m Dicke, s. Fläming und Warthe-Stadium, und schließlich die Weichsel- (in Bayern Würm- genannte) Kaltzeit, deren deutliche Spuren die Entwicklung einer Eiszeit-Theorie ermöglichten.
Während einer Kaltzeit rücken die Gletscher von Norden über 700 km kommend immer wieder vor und zurück. Derartige Stadien des Eisvorschubs mit Geschwindigkeiten von bis zu 175 m/Jahr gab es während der letzten Weichsel-Kaltzeit viermal: südlich von Berlin das Brandenburger Stadium und nördlich das Frankfurter. Ihm folgte dass Pommersche Stadium, das bis Eberswalde reichte, und zuletzt das Mecklenburgsche (Angermünder Staffel), das für die Odermündung und Ostseeküste große Bedeutung hatte.
Das wiederholte Vorrücken und Zurückweichen des Eises hinterließ mächtige Spuren mit bedeutsamen Veränderungen der Landschaft:
Vorrücken der Weichselkaltzeit mit Brandenburger, Frankfurter und Pommerschen Stadium sowie der Angermünder und Velgaster Staffel. Aus: SCHROEDER, J.H. & BROSE, F. (Hrsg.) 2003: Geologie von Berlin und Brandenburg, Bd. 9 Oderbruch — Märkische Schweiz — Östlicher Barnim. Berlin (Selbstverlag), S. 51–56.
Die Ablagerungen weisen typische, wiederholt auftretende Formationen auf. Diese eiszeitlichen Formationen werden glaziale Serie genannt.
Die Oder
Das Schmelzwasser folgte dem zurückweichendem Eisrandund floss nach Norden. Traf es auf den Eisrand, floss es weiter am Eis entlang nach Westen. Das letzte Stadium wurde bei der Velgaster Staffel erreicht (Abb. I‑3,3–3f). Auf Grund der tiefen Lage des Geländes konnte sich nun eine neue Abflussbahn bilden, das Netze-Randow-Urstromtal. Später verlagerte sich der Abfluss östlich nach Szczecin, so mündete die Oder nun in die Ostsee und nicht mehr in das Eberswalder Urstromtal. So erklärt sich die Besonderheit, dass das Urstromtal des Unteren Odertals nicht nach Westen, sondern nach Norden fließt.
Wie ist es zu den Glazialen Serien gekommen?
Beim Beginn des Frankfurter Stadiums fiel die Temperatur um bis zu 6°C gegenüber der aktuellen ab und die Niederschlagsmenge war größer als die Verdunstung des Eises. Die Eismassen wuchsen und hatten eine Höhe von bis zu 4000 m und im Gegenzug sanken die Meeresspiegel um bis zu 130 m. Die Eismassen hatten damit ein enormes Gewicht, ca. 1000 kg/m3 und übten damit einen hohen Druck auf den Untergrund aus: 100 at (9,8 kPa) bei einer Höhe von 1000 m.
Sie kühlten also nicht den Boden, auf dem sie standen, sondern verflüssigten auf Grund des Drucks ihre Unterseite und den Boden, ein schwabbelnden Untergrund. Bei Niederschlägen wuchsen die Gletscher, ihre Schwerpunkte veränderten sich und sie fingen an mit einer Geschwindigkeit von bis zu 7,5 km/Jahr (täglich 20 m) zu rutschen, in Osteuropa 2500 km und in Mitteleuropa 1200 km weit.
Üblicherweise verlaufen die Endmoränen an der Eisrandlage der von Norden kommenden Gletscher, also in Ost-West-Richtung, wie auch die Urstromtäler verlaufen. Unter dem Gletscher bildete sich die Grundmoräne. Geschiebemergel (Ton, Schluff, Sand, Kies, Steine) und auch Kreide wurden abgelagert. Diese Abfolge Grundmoräne, Endmoräne und Urstromtal mit den jeweiligen charakteristischen Erscheinungen bilden also die glaziale Serie. Die Dynamik wird sehr schön in dem vierminütigem Video des RBB gezeigt:
Urstromtäler
Die Urstromtäler sind die markantesten Zeugnisse der Eiszeit und prägend für die norddeutsche und polnische Landschaft. Beim Zurückweichen der Gletscher bildete sich die typische von Norden nach Süden gerichtete Abwärtsneigung der Urstromtäler. Diese haben eine flache Talsohle von 1 bis 20 km Breite und bestehen aus Sand sehr unterschiedlicher Korngröße und Mächtigkeit. Sie bildeten sich im Gegensatz zu den unten dargestellten Schmelzwasserrinnen vor und nicht unter dem Eis.
Das Breslau-Magdeburger Urstromtal geht auf die Saale-Kaltzeit zurück, das Glogau-Baruther, Warschau-Berliner und Thorn-Eberswalder Urstromtal auf die Weichsel-Kaltzeit. Das Thorn-Eberswalder Urstromtal reicht weit nach Osten bis nach Wloclawek (Leslau), 140 km vor Warschau und vereint sich westlich von Berlin bei Fehrbellin mit dem Warschau-Berliner. Bei Havelberg münden sie vereint mit dem Glogau-Baruther in das Elbe-Urstromtal. Der Abfluss nach Norden wurde lange Zeit durch den dort liegenden Kontinentalgletscher blockiert, was bis zu 20 km breite Talflächen bedingte.
In den Tälern liegen bis über 20 m dicke Sandflächen auf den Sedimenten der Saale-Kaltzeit. Der flache Grund führte zu breiten Torfflächen und Moorandschaften, z.B. Rhinluch Zwischen der nördlich liegenden Eisrandlage und dem Urstromtal finden sich Sanderflächen, das bekannteste ist die Schorfheide.
Die Glazialen Serien sind nicht immer leicht zu erkennen, die verschiedenen Vorstöße der Gletscher, mehrere Phasen der Saale- und Weichselkaltzeit überformten die Landschaft. So sind das Berliner Urstromtal und die Havelseenrinne wohl bereits während der Saale-Kaltzeit gebildet und während der Weichsel-Kaltzeit letztendlich gestaltet worden.
Erhebungen unter und dann nach dem Eis
Drumlin (Höhenrücken), Kame (steilhängiger Hügel) und Os (auch Oser genannter Wallberg) mit steilen Hängen, parallelen Rändern und schmaler Krone sind kleine Erhebungen, die unter dem Eis angelegt wurden und nach dem Zurückweichen des Eises zu Tage treten. Ein in Berlin bekannter Os ist die Halbinsel Schildhorn, auf der das Denkmal von Jacza von Köpenick steht. Die Havelberge (siehe unten) sind die von schmalen Talkesseln getrennten recht steilen Kames. Ein Dutzend bis zu 50 m hohe Kames bilden die Hügel bei Brodowin. Drumlins sind mir in Brandenburg nicht bekannt.
Bildung eines Drumlins, Kames und Os. © Witzel, B. (2018): Steine, Mammuts, Toteislöcher. Berlin (Verlag M im Stadtmuseum). S. 61, 58 und 56.
Schmelzwasserrinnen
Nicht nur der Druck des Eises bildete Wasser, sondern auch das im Sommer auf der Gletscheroberseite abtauende und durch die Gletscherspalten fließende Wasser, das ebenfalls unter den Gletscher gelangte. Sein Druck presste es heraus und es floss bei den von Norden kommenden Gletschern meist südlich heraus. dabei bildeten sich die Schmelzwasserrinnen, die nach der Kaltzeit erhalten blieben.
Diese Schmelzwasserrinnen liegen meist ein wenig tiefer als das umgebende Gelände und sind oft mit Seen und Mooren ausgestattet. Sie bilden mit die schönsten Landschaftsbilder unserer Region. In Berlin sind das die größte Rinne,die Havel sowie die Grunewaldseenkette, die Panke, das Tegeler Fließ und die Wuhle.
Grunewaldseenkette
Es gibt kleinere Querverbindungen, zum Beispiel von Umstromtal der Spree in der Nähe des Nollendorfplatzes zur der Grunewaldseenkette. In ihr liegen der Rudolpf-Wilde-Park und der Volkspark Wilmersdorf. Ein größerer Abzweig ging von der Spree zum Lietzensee durch das heutige Gebiet des Schusteruhsparks und dann zur Grunewaldseenkette
Manchmal werden derartige Verläufe auch Zwischenurstromtal, Nebental oder Urstromtalung genannt. Ich bin nicht kompetent, über die Definition zu befinden.
Die Havel
Habula (germ.), die Buchtenrreiche, sie ist in ihrem Lauf ein ganz besonderer Fluss. Aus dem Norden kommend schneidet sie das Eberswalder und das Warschau-Berliner Urstromtal und erreicht bei Potsdam die Urstromtalung der Nuthe, in der sie nun nach Westen fließt. Sie verlässt es bei Brandenburg a.H. und fließt dann nach Havelberg im Norden. Sie gelangt dabei in das vereinigte Eberswalder und Warschau-Berliner Urstromtal.
Da stellt sich die Frage, wieso die Havel nicht gleich in den Eberswalder und Warschau-Berliner Urstromtälern Richtung Havelberg geflossen ist. Da lag etwas dazwischen. Eine Gletscherzunge erstreckte sich von Nordost bis in das Gebiet des Schwielowsees. An der Ostseite des Gletschers wurde Material zusammengeschoben und es bildete sich eine große Stauchendmoräne; da sie nicht südlich vor dem Gletscher, sondern östlich an seinem Rand sich bildete, wird sie auch Randmoräne genannt. In der Schmelzwasserrinne floss dann die Havel Richtung Süden.
In der Karte ist diese Randmoräne rosa eingetragen und deutlich erkennt man die Havelberge mit dem 83 m hohen Karlsberg. Braun sind der Geschiebemergel und orange Sand und Kies eingetragen. Rinnen aus Torf und Faulschlamm sind weiß und Wasser natürlich blau gekennzeichnet.
Mitten durch den Grunewald zieht sich noch eine weitere Rinne, der Grunewaldgraben. In ihm liegen von Nord nach Süd Postfenn, Teufelsfenn mit Nebenmoor, Pech- und Barssee, er mündet dann in die große Steinlaake. Das ist ziemlich genau am östlichen Rand der rosa gezeichneten Stauchmoräne
Die Bedeutung der eiszeitlichen Formationen für die Landnutzung
Die unterschiedlichen Strukturen der glazialen Serie und das verschiedene jeweils abgelagerte Material ließen die Menschen die Flächen ganz unterschiedlich nutzen.
Unter dem großen Druck des Eises wurde das Material der Grundmoräne am stärksten aufgearbeitet: fein zermahlende Sande und Tone häufig entkalkt und mit gelegentlichen Findlingen. Die Grundmoränen der letzten Kaltzeit waren oft hügelig, z.B. östl. des Parsteiner Sees, mit Mooren und sanften Seen, Soll und im Plural Sölle genannt. Die kalkreichen Flächen sind für den Anbau von Weizen und Zuckerrüben geeignet, die feuchten Senken dagegen nicht, weshalb man in der DDR großen Aufwand betrieb, die Sölle einzuebnen.
Die Endmoränen sind ganz anders gestaltet, den Übergang kann man sehr gut auf dem Amtsweg von Chorin nach Brodowin erkennen, auf den Meter genau lässt sich das Ende der Endmoräne und der Beginn der Grundmoräne bestimmen. Die Endmoränen enthalten gewaltige Schuttmassen, bilden viele Hügel und enthalten tiefe Löcher der Toteisblöcke, z.B. Teufelssee, und Gruben. Sie sind für die Landwirtschaft ungeeignet und bilden den Lebensraum oft abwechslungsreicher, jedoch schwer zu bewirtschaftender Wälder.
Ebenfalls für die Landwirtschaft wenig geeignet sind die Sander, gedüngt kann man Kartoffeln und Roggen anbauen oder Spargel. Der Gletscher, der bis in das Gebiet des Schwielowsees ragte, hatte dort ein Gletschertor, aus dem Wasser und Sand flossen. Aus ihm floss der Sand für das heutige Anbaugebiet des Beelitzer Spargels.
Die Urstromtäler wurden später nicht mehr durchgehend von Flüssen genutzt, sie haben auf- und absteigende Gefälle, abgelagerte Sande bilden Binnendünen, z.B. die Püttberge, und haben Toteislöcher, z.B. Müggelsee. Sie sind grundwassernah und werden für Obstanbau und Weideland genutzt. Sie haben heutzutage Bedeutung für den Verkehr (Schiene, Straße, Kanal), z.B. alter Finow- und Oder-Havel-Kanal, neben denen die Bahn fährt und eine große Landstraße liegt. Das war aber nicht immer so. Im Mittelalter bildeten sie mit Sandern und Mooren Verkehrshindernisse und an ihren Engstellen bündelten sich die Handelswege, wo dann Städte wie Spandau, Berlin und Cölln gegründet wurden.