Trockenlegung des Warthebruchs
Friedrich II ließ zwischen 1763 und 1767 das Warthebruch trockenlegen, nachdem dies vorher mit dem Oderbruch in der Zeit von 1747 und 1753 geschah. Die Entsumpfung dauerte noch 20 Jahre, denn das Warthebruch ist zwar nur halb so groß wie das Oderbruch, jedoch gegenüber den menschlichen Zugriffen auf Grund der Wasserschwankungen von 4 m Höhe und den heftigen Hochwassern weitaus widerständiger. Das westliche Ende verblieb in Wildnis und ist nunmehr der Nationalpark Warthebruch.
Nördlich der Warthe sind die Reste dreier aufgelassener Ortschaften, Charlestown, New York und Yorkstown, noch zu sehen. Auf der gegenüberliegenden, südlichen Seite der Warthe sind einige Orte erhalten geblieben Hampshire (Budzigniew), Ceylon (Czaplin), Pennsylvanien (Polne) und Jamaika (Jamno). Im ganzen erfolgten 2 Dutzend derartige Gründungen mit teilweise abwegiger Namensgebung, z.B. hatte Malta zwei Ortsteile, die Quebeck und Mannheim hießen. All das ist nicht obskur, sondern hat eine sehr rationale Begründung, die Orte dienten in der Zeit der Trockenlegung zur Ansiedlung von Arbeitskräften. Auf einer interaktiven Karte Preußens aus dem Jahre 1877 ist das deutlich zu sehen.
32.000 ha Siedlungsland wurden urbar gemacht und nach der Eingliederung Westpreußens 1772 und der Erschließung durch den Weichsel-Netze-Kanal in rund 900 Dörfern 57.475 Familien untergebracht. Die meisten Kolonisten siedelten auf Domänenland, kaum auf adeligem Boden, so waren sie dann weder leibeigen noch hörig.
Arbeitskräfte gab es wenige, die Konkurrenz groß, Mitteleuropa litt noch unter den Folgen des Krieges und der Pest. Katharina die Große holte aus Dänemark die Schwaben, die dort auf Grund der königlichen Misswirtschaft größte Hunger litten, an die Wolga, preußische Werber durften auf Grund ihres aggressiven Auftretens nicht mehr die freie Reichsstadt Frankfurt betreten usw. So warb Friedrich II damit, dass keine weiten Seereisen unternommen werden müssten, sondern Philadelphia, Jamaica etc., all das auch hier gäbe.
In der Art finde ich die, leider spärlichen, Informationen auch in Polen. In Deutschland sieht das teilweise anders aus. 66 Jahre nach dem Kriegsende und der Vertreibung steht im Oststernberger Heimatbrief 1/2011 auf S. 28 ff:
In Deutschland, in Sonderheit im aufgeklärten Preußen Friedrichs des Großen, verfolgte man den schweren Kampf, den ein junges freiheitsliebendes Volk um seine Lebensgrundlagen führte, mit unverhohlener Sympathie für die Sache der Amerikaner. Man feierte sie als die Vorkämpfer einer freier werdenden Welt, und die Begeisterung über ihre Erfolge fand ihren lebhaften Widerhall selbst hier bei den Kolonisten des Warthebruches, die sich als Pioniere fühlten und als weithin sichtbaren Ausdruck dieser Verbundenheit ihren entlegenen Siedlungen jene verheißungsvollen Namen aus dem Kriegsgeschehen in der Neuen Welt beilegten … Frau Raasch, geborene Hinze aus Neuruppin verwies darauf, dass sie sich oft geärgert habe, wenn man die Neumark bei Erwähnung von Vertreibung vergessen hatte … Die Neumark … hat es verdient, erwähnt zu werden: „Wir haben seit über 30 Jahren ein freundschaftliches Verhältnis mit einer polnischen Familie in meinem Geburtsort – auch Menschen mit verlorener Heimat durch Stalin.“
Drei Dinge fallen mir hier auf:
- So schrecklich Stalin und Hitler auch waren, sie waren sehr unterschiedlich. Der Molotow-Ribbbentrop-Pakt war u.U. für die UdSSR notwendig, um zu überleben – ich weiß, das ist strittig. Die vereinbarte Grenzziehung entspricht jedoch auch der 1919 geplanten, bevor Polen sowjetisches Gebiet annektierte. Es ist geschichtsrevisionistisch nun bei der Vertreibung gerade Stalin und nicht Hitler, der diesen verbrecherischen Krieg ja auch vom Zaun gebrochen hatte, zum Schuldigen zu erklären.
- Es wird bei der Darstellung der Trockenlegung der Brüche durchgängig berichtet, dass die ersten Siedler trotz der gewährten Subventionen größte Not litten, auch der Folgegeneration ging es nicht viel besser. Erst die dritte Generation hatte ein erträgliches Einkommen. Die hier unterstellte emphatische Hinwendung zur Neuen Welt ist eine Fiktion. Horst Bosetzky beschreibt in seiner Familiensaga aus dieser Zeit in „Hoch zu Roß“ eine ganz andere und elende gesellschaftliche Situation.
- Dem Feudaladel wird hier ganz schön um den Bart gegangen. Liebedienerisch und romantisierend wird sein Handeln mit dem Leben der Untertanen verknüpft. Eine ganz andere und äußerst negative Wertung erfährt dieses Preußen durch Historiker wie von Karl Otmar von Aretin, der Friedrich nicht als aufgeklärten absolutistischen Regenten sieht, sondern als Begründer einer verantwortungslosen und machiavellistischen Tradition in der deutschen Außenpolitik.