Generalplan alte und neue Oder

Durch das Oder­bruch

Bevor ich mit der Fahr­rad­tour durch das Oder­bruch anfange, erst einmal eine gram­ma­ti­ka­li­sche Anfrage an den Duden: der oder das Bruch?

der und das; -[e]s, Plural Brüche, land­schaft­lich Brücher (Sumpf­land), Morast, Sumpf, (nord­deutsch): Fehn; (beson­ders nord­deutsch): Fenn; (süddeutsch, öster­rei­chisch, schwei­ze­risch): Moos.

Ich entscheide mich für „das“, weil die dort leben­den Feen meist weib­lich sind und das gene­ri­sche Masku­li­num eh ein Problem ist.

Das Oder­bruch beginnt kurz hinter Frank­furt bei Lebus und endet nach knapp 60 km nörd­lich bei Oder­berg und Hohen­saa­ten. Es hat eine Breite von 10 bis 20 km und umfasst insge­samt 640 km2. Im Süden hat es eine Höhe von 14 m und im Norden von 1 m über NHN.
Die vor Bad Frei­en­walde liegende Hoch­flä­che des Barnim mit einer Höhe von bis zu 140 m Höhe stürzt hier ab. Dies sind die Spuren der Frank­fur­ter Phase der Weich­sel­kalt­zeit, die vor 22.000 Jahren begann, zur Entste­hung des Oder­bruchs.

Sophie Anderson Take the fairface of Woman
Fee, S. G. Ander­son | Wiki­me­dia, P

Wenn irgend möglich starte ich von Straus­berg Nord, da fährt alle 20 Minu­ten eine S‑Bahn hin. Der eigent­li­che Grund ist aber ein ande­rer, ich radle über Möglin. Dort wirkte Albrecht Thaer, für mich ist er der Karl Marx der Bauern. Er begrün­dete die Ratio­nelle Land­wirt­schaft und dies wird in Möglin mit einer exel­lent kura­tier­ten Ausstel­lung gezeigt.

Das Oder­bruch ist, rersp. war ein riesi­ges Binnen­delta, vergleich­bar mit dem Spree­wald. Seit 13.000 Jahren lebten mit Unter­bre­chun­gen Menschen und unun­ter­bro­chen seit der Besied­lung durch die Slawen 700 n. Chr., zur Geschichte der Mark Bran­den­burg.

Im Oder­bruch lebten slawi­sche Fischer, die sich Brücher nann­ten. Sie produ­zier­ten Preu­ßens Export­schla­ger. Ihr Leben wandelte sich trotz hefti­gem Wider­stand gegen die Trocken­le­gung des Oder­bruchs total, nicht nur die Erwerbs­quel­len änder­ten sich, viele Kolo­ni­sten kamen und siedel­ten, auch die Bauweise der Orte änderte sich mit der Trocken­le­gung des Oder­bruchs.

Die obige Karte ist ein Ausschnitt aus dem Gene­ral­plan von Haer­lems zur Planung der Umlei­tung der alten Oder in das neue Bett, das mit dem Durch­stich in Güste­biese erfolgte. Die Karte liegt im Gehei­men Staats­ar­chiv Preu­ßi­scher Kultur­be­sitz.

Die Ober­seite der Karte ist die West­seite; die Oder kommt von links und gleich zu Beginn des Karten­aus­schnitts trennt sich der Wasser­ver­lauf, nach links fließt es in die alte Oder und nach rechts in die Oder-Canal genannte neue. Links der alten Oder lag die Alt Güte­bie­ser Gemein­schafts Hutung, heute Güste­bie­ser Loose; dort steht jetzt das Viadrus-Denk­mal und ist der Anle­ger für die Fähre nach Gozdo­wice, dem frühe­ren Güste­biese.

Es gibt viele schöne Touren und die Auswahl einer Tour ergibt sich aus der gewünsch­ten Dauer, die Möglich­keit von Güste­biese Loose nach Gozdo­wice (ehem. Güste­biese) mit der Fähre über­zu­set­zen und der Entschei­dung, ob man bei Zoll­brücke oder den umge­ben­den Dörfern über­nach­ten will.

Skizze zur Planung der Touren

Im Oder­bruch gibt es leider auch bedrückende Gedenk­stät­ten aus dem vergan­ge­nem Jahr­hun­dert. Hier begann am 16. April 45 die letzte Schlacht des 2. Welt­krie­ges, siehe neben­ste­hende Karte (Lonio17. CC BY-SA 4.0).
Bei Seelow war das Zentrum zur Befrei­ung Berlins, bei der 80.000 sowje­ti­sche und 12.000 polni­sche Solda­tin­nen und Solda­ten fielen; drei Wochen später wurden meine Eltern und ich von sowje­ti­schen und polni­schen Solda­tin­nen und Solda­ten frei­ge­kämpft.

Hier werden Touren im nörd­li­chen Oder­bruch beschrie­ben:

Radelt man oder­ab­wärts, ist die polni­sche Seite in der Woiwod­schaft West­pom­mern (woje­wództwo zachod­nio­po­mor­skie) mit ihren Über­flu­tungs­wie­sen und Hang­wäl­dern sicher­lich die schö­nere Tour.

Straus­berg, Neutreb­bin und Wrie­zen sowie Nieder­fi­now haben Bahn­an­schluss.
Diese Touren kann man ganz nach seinem eige­nen Gusto kombi­nie­ren und ändern, die Karten zu den verschie­de­nen Touren sind in der Coll­ec­tion Oder­bruch zusam­men gestellt:

 
 
Links der OderÜber Polen

Über Möglin
(A. Thaer)

Möglin – Oder­bruch – Nieder­fi­now
(über Straus­berg und Zoll­brücke) 98 km

Möglin – Oder­bruch – West­pom­mern – Nieder­fi­now
(über Straus­berg, Zoll­brücke und Gozdo­wice) 112 km
Start im Oder­bruchNeutreb­bin – Oder­bruch – Nieder­fi­now
(über Zoll­brücke) 71 km
Neutreb­bin – Oder­bruch – West­pom­mern — Nieder­fi­now
(über Zoll­brücke und Gozdo­wice) 85 km
 
Die Touren enden in Nieder­fi­now und dem dorti­gen Schiffs­he­be­werk. Dieses ist Bestand­teil des Euro­päi­schen Wasser­stra­ßen­net­zes und wurde 2022 mit einer zwei­ten Kammer erwei­tert. Das Euro­päi­sche Wasser­stra­ßen­netz soll vom Rhein-Maas-Delta Wasser­stra­ßen durch 5 Staa­ten bis nach Klai­peda (Memel) und an Tscher­no­byl vorbei bis nach Odessa führen sowie mit der Donau verbun­den werden. Es ist wegen der Kosten, des fehlen­den Bedarfs, der Unver­träg­lich­keit für die Umwelt und für die mensch­li­che Gesund­heit sehr umstrit­ten, auch in den Gremien der EU.
 
Alter­na­ti­ven:

• Eine inter­es­sante Ergän­zung ist ein  43 km langer Rund­kurs nach Moryń und Siekierki sowie über die Euro­pa­brücke Neurüd­nitz-Siekierki, auf der ich gemüt­lich sitzen und die Vögel in der Fluss­aue der Oder beob­ach­ten kann.

• Als eine (bei SEV notwen­dige) Alter­na­tive  bietet sich für Nieder­fi­now Ebers­walde an; eine 11 km lange und schöne Tour entlang des alten Finow­ka­nals führt dahin.

• Eine 12 km lange Abkür­zung direkt zur Euro­pa­brücke Neurüd­nitz-Siekierki kann man von Wrie­zen aus auf dem Oder­bahn-Radweg nehmen.

Die näch­sten Touren:

Anste­hende Veran­stal­tun­gen

Wer über geplante Touren infor­miert werden möchte, melde sich bitte bei info(at)radtouren.info an. Die Anschrif­ten werden nicht weiter­ge­reicht und es erfol­gen ausschließ­lich Infor­ma­tio­nen über geplante Fahr­rad­tou­ren.

David Black­bourn ein auf deut­sche und moderne euro­päi­sche Geschichte spezia­li­sier­ter Histo­ri­ker hat in “Die Erobe­rung der Natur” die Geschichte der deut­schen Land­schaft beschrie­ben (ISBN 978–3‑421–05958‑1).

Das Buch zeich­net sich sowohl durch umfas­sende Kennt­nis der deut­schen Kultur als auch durch eine wirk­lich liebe­vol­len Beschrei­bung der Land­schaf­ten aus.
Im letz­ten Kapi­tel “Rasse und Boden­ge­win­nung” behan­delt er den Völker­mord unter dem Natio­nal­so­zia­lis­mus.

Das erste Kapi­tel Erobe­rung der Wild­nis, einer Wild­nis aus Wasser und Morast, beginnt mit der umfas­sen­den Darstel­lung der Trocken­le­gung des Oder­bruchs.

Nach Black­bourn zeich­nete Thaer sich durch ganz­heit­li­ches und fort­schritt­li­ches Denken aus, das sich nicht auf tech­ni­sche Fragen beschränkte, sondern als Gegner feuda­ler Bindung radi­kale Erneue­rung der poli­ti­schen Struk­tu­ren forderte (S. 114f).

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