Durch das Oderbruch
Bevor ich mit der Fahrradtour durch das Oderbruch anfange, erst einmal eine grammatikalische Anfrage an den Duden: der oder das Bruch?
der und das; -[e]s, Plural Brüche, landschaftlich Brücher (Sumpfland), Morast, Sumpf, (norddeutsch): Fehn; (besonders norddeutsch): Fenn; (süddeutsch, österreichisch, schweizerisch): Moos.
Ich entscheide mich für „das“, weil die dort lebenden Feen meist weiblich sind und das generische Maskulinum eh ein Problem ist.
Das Oderbruch beginnt kurz hinter Frankfurt bei Lebus und endet nach knapp 60 km nördlich bei Oderberg und Hohensaaten. Es hat eine Breite von 10 bis 20 km und umfasst insgesamt 640 km2. Im Süden hat es eine Höhe von 14 m und im Norden von 1 m über NHN.
Die vor Bad Freienwalde liegende Hochfläche des Barnim mit einer Höhe von bis zu 140 m Höhe stürzt hier ab. Dies sind die Spuren der Frankfurter Phase der Weichselkaltzeit, die vor 22.000 Jahren begann, zur Entstehung des Oderbruchs.
Wenn irgend möglich starte ich von Strausberg Nord, da fährt alle 20 Minuten eine S‑Bahn hin. Der eigentliche Grund ist aber ein anderer, ich radle über Möglin. Dort wirkte Albrecht Thaer, für mich ist er der Karl Marx der Bauern. Er begründete die Rationelle Landwirtschaft und dies wird in Möglin mit einer exellent kuratierten Ausstellung gezeigt.
Das Oderbruch ist, rersp. war ein riesiges Binnendelta, vergleichbar mit dem Spreewald. Seit 13.000 Jahren lebten mit Unterbrechungen Menschen und ununterbrochen seit der Besiedlung durch die Slawen 700 n. Chr., zur Geschichte der Mark Brandenburg.
Im Oderbruch lebten slawische Fischer, die sich Brücher nannten. Sie produzierten Preußens Exportschlager. Ihr Leben wandelte sich trotz heftigem Widerstand gegen die Trockenlegung des Oderbruchs total, nicht nur die Erwerbsquellen änderten sich, viele Kolonisten kamen und siedelten, auch die Bauweise der Orte änderte sich mit der Trockenlegung des Oderbruchs.
Die obige Karte ist ein Ausschnitt aus dem Generalplan von Haerlems zur Planung der Umleitung der alten Oder in das neue Bett, das mit dem Durchstich in Güstebiese erfolgte. Die Karte liegt im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz.
Die Oberseite der Karte ist die Westseite; die Oder kommt von links und gleich zu Beginn des Kartenausschnitts trennt sich der Wasserverlauf, nach links fließt es in die alte Oder und nach rechts in die Oder-Canal genannte neue. Links der alten Oder lag die Alt Gütebieser Gemeinschafts Hutung, heute Güstebieser Loose; dort steht jetzt das Viadrus-Denkmal und ist der Anleger für die Fähre nach Gozdowice, dem früheren Güstebiese.
Es gibt viele schöne Touren und die Auswahl einer Tour ergibt sich aus der gewünschten Dauer, die Möglichkeit von Güstebiese Loose nach Gozdowice (ehem. Güstebiese) mit der Fähre überzusetzen und der Entscheidung, ob man bei Zollbrücke oder den umgebenden Dörfern übernachten will.
Im Oderbruch gibt es leider auch bedrückende Gedenkstätten aus dem vergangenem Jahrhundert. Hier begann am 16. April 45 die letzte Schlacht des 2. Weltkrieges, siehe nebenstehende Karte (Lonio17. CC BY-SA 4.0).
Bei Seelow war das Zentrum zur Befreiung Berlins, bei der 80.000 sowjetische und 12.000 polnische Soldatinnen und Soldaten fielen; drei Wochen später wurden meine Eltern und ich von sowjetischen und polnischen Soldatinnen und Soldaten freigekämpft.
Hier werden Touren im nördlichen Oderbruch beschrieben:
Radelt man oderabwärts, ist die polnische Seite in der Woiwodschaft Westpommern (województwo zachodniopomorskie) mit ihren Überflutungswiesen und Hangwäldern sicherlich die schönere Tour.
Strausberg, Neutrebbin und Wriezen sowie Niederfinow haben Bahnanschluss.
Diese Touren kann man ganz nach seinem eigenen Gusto kombinieren und ändern, die Karten zu den verschiedenen Touren sind in der Collection Oderbruch zusammen gestellt:
Links der Oder | Über Polen | |
Über Möglin | Möglin – Oderbruch – Niederfinow | Möglin – Oderbruch – Westpommern – Niederfinow (über Strausberg, Zollbrücke und Gozdowice) 112 km |
Start im Oderbruch | Neutrebbin – Oderbruch – Niederfinow (über Zollbrücke) 71 km | Neutrebbin – Oderbruch – Westpommern — Niederfinow (über Zollbrücke und Gozdowice) 85 km |
• Eine interessante Ergänzung ist ein 43 km langer Rundkurs nach Moryń und Siekierki sowie über die Europabrücke Neurüdnitz-Siekierki, auf der ich gemütlich sitzen und die Vögel in der Flussaue der Oder beobachten kann.
• Als eine (bei SEV notwendige) Alternative bietet sich für Niederfinow Eberswalde an; eine 11 km lange und schöne Tour entlang des alten Finowkanals führt dahin.
• Eine 12 km lange Abkürzung direkt zur Europabrücke Neurüdnitz-Siekierki kann man von Wriezen aus auf dem Oderbahn-Radweg nehmen.
Die nächsten Touren:
Anstehende Veranstaltungen
Wer über geplante Touren informiert werden möchte, melde sich bitte bei info(at)radtouren.info an. Die Anschriften werden nicht weitergereicht und es erfolgen ausschließlich Informationen über geplante Fahrradtouren.
David Blackbourn ein auf deutsche und moderne europäische Geschichte spezialisierter Historiker hat in “Die Eroberung der Natur” die Geschichte der deutschen Landschaft beschrieben (ISBN 978–3‑421–05958‑1).
Das Buch zeichnet sich sowohl durch umfassende Kenntnis der deutschen Kultur als auch durch eine wirklich liebevollen Beschreibung der Landschaften aus.
Im letzten Kapitel “Rasse und Bodengewinnung” behandelt er den Völkermord unter dem Nationalsozialismus.
Das erste Kapitel Eroberung der Wildnis, einer Wildnis aus Wasser und Morast, beginnt mit der umfassenden Darstellung der Trockenlegung des Oderbruchs.
Nach Blackbourn zeichnete Thaer sich durch ganzheitliches und fortschrittliches Denken aus, das sich nicht auf technische Fragen beschränkte, sondern als Gegner feudaler Bindung radikale Erneuerung der politischen Strukturen forderte (S. 114f).