Rationelle Landwirtschaft
Albrecht Thaers Hauptforderung war, dass eine vernünftig und zweckmäßig betriebene Landwirtschaft wie jedes andere Gewerbe dem Betreiber Einkommen und Gewinn sichern sollte. Er wählte dafür den Begriff der “Rationellen Landwirtschaft”. Vier Faktoren sind für diese bestimmend: Arbeit, Kapital, Grund und Boden sowie Intelligenz und Kenntnisse.
„Ohne Arbeit trägt der Boden nichts, und durch die Arbeit erhält er erst seinen Werth.“ Die Abschaffung der Fronarbeit war die logische Forderung, da diese zu zeitaufwändig und ihre Qualität oft zu schlecht sei.
In Gebieten mit teurer Arbeit seien große intensive Betriebsgrößen angesagt. Die kleinen Betriebe, meist durch Eigentümer verwalten, hätten eine größere Arbeitsintensität und ein Teil des Betriebskapitals könne durch familiäre Mitarbeit ersetzt werden.
„Jedes Capital entsteht … durch Arbeit und Ersparung im Genuss des Arbeits-Products.“ Dabei unterschied er zwischen Grundkapital, stehendem und umlaufenden Betriebskapital sowie zwischen dem Produktions- und dem durch Angebot und Nachfrage gesteuerten Marktpreis.
Weit mehr als in anderen Gewerben benötigt der Landwirt Intelligenz und Kenntnisse in den Naturwissenschaften, Mechanik, Hydrodynamik, Bau- und Messkunst, Betriebswirtschaft und Verarbeitungstechnologien.
Thaer empfahl wegen der Transparenz die doppelte Buchführung. Die Erträge ließen sich durch Produktveredlung mehren.
Der Grund und Boden ist „das rohe Material des landwirthschaftlichen Gewerbes“. Thaer diskutierte die Eigentumsverhältnisse im Blick auf die Pachtzeit. Bei längerer Pachtzeit achtet der Pächter mehr auf nachhaltige Entwicklung der Erträge und nicht auf aktuellem maximalen Gewinn. Er nähert sich der Sichtweise des Eigentümers an, weshalb Thaer die Erbpacht protegierte.
Flächengröße, Höhe, Klima und Feuchtigkeit, Entfernung zu den Marktplätzen sind von Bedeutung sowie beim Boden dessen Zusammensetzung, Tiefe und Grundwasserstand sowie der Düngerstand .
Thaer war an den humösen und ähnlichen natürlichen Bestandteilen interessiert, die Chemie verwarf er und entzweite sich deshalb mit einem seiner ersten und engsten Schüler, Carl Sprengel. Dieser studierte während der Wintermonate Chemie und formulierte 1828, ein Vierteljahrhundert vor Justus von Liebig, das Minimumgesetz, das Liebig zugeschrieben wurde, der da wohlhabend Experimente durchführen konnte..
Dasjenige Element, das im Vergleich mit dem benötigten Mengenverhältnis in der minimalen Menge verfügbar ist, bestimmt über das maximal mögliche Wachstum der Pflanze. Im hohen Alter sah Thaer dies selbstkritisch ebenso, erwähnte jedoch Sprengel nicht namentlich.
Auch wenn ich zunächst Thaers Rationelle Landwirtschaft vorstellte, heißt das nicht, dass dies ein theoretischer Entwurf gewesen sei, der danach experimentell geprüft wurde. Im Gegenteil: eigene Erfahrungen und wissenschaftliche Begründungen, letztere oftmals deutlich später, gingen Hand in Hand. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Bodenkunde.
Thaer zeigte, dass die Fruchtbarkeit des Bodens ganz wesentlich vom Humus pflanzlicher und tierischer Fäulnis abhängig ist, was bei der Kritik an industrieller Landwirtschaft und tropischen Plantagenbau heute wieder aktuell ist. Bei der Düngung bezog er sich vorrangig auf das Ausbringen von Stallmist.
Von den Römern wurde die Zweifelderwirtschaft übernommen und mit Beginn des Mittelalters die Dreifelderwirtschaft – Brache, Wintergetreide, Sommergetreide – gepflegt. Verbunden mit Innovationen wie dem eisernen Pflug und dem Pferd an Stelle des Ochsen ermöglichte dies bis zum Aufkommen der Pest ein großes Bevölkerungswachstum. Danach waren die Böden auf Grund der intensiven Getreidewirtschaft erschöpft, die Bevölkerung wuchs und auf Grund des Futtermangels war die Viehhaltung zu gering und brachte zu wenig Düngung.
So entwickelte Thaer neue Wirtschaftssysteme und verglich empirisch deren Leistung mit einem Vergleich der Reinerträge verschiedener Wirtschaftsysteme auf einer Fläche von 1.450 Morgen (363 ha). Fruchtwechsel zwischen den Getreidesaaten sich als erfolgreich erwies, der Vergleich verschiedener Wirtschaftssysteme zeigt, dass die unterschiedlichen Pflanzen einen differenzierten Aufbau des Bodens ermöglichen und den Humusgehalt mehren können.
Bei sinnvoll gestalteter Fruchtfolge kann auch der Befall mit Krankheiten und Schädlingen gemindert werden. Je nach Bedengegebenheiten erfolgen über mehrere Jahre unterschiedliche Fruchtfolgen; die Brache fiel weg.
Nicht alles, was gut ist, ist auch günstig:
Mit dem Wegfall der Brache, ging Weideland verloren und kompensierend wurdevdie den Bewuchs schädigende Waldweide intensiviert.
Die Fruchtfolge setzt Stallhaltung und vielfältigen Anbau voraus. Ökonomisch optimiert sind heutzutage viele Betriebe auf Tierhaltung oder Pflanzenabau spezialisiert und letztere benötigen für die verschiedenen Früchte unterschiedliche Maschinen, einseitige Spezialisierung und chemische Düngung sind preisgünstiger.
Der Boden musste natürlich bearbeitet werden. Die dabei benutzten landwirtschaftlichen Geräte prüfte Thaer, teilweise ließ er sich diese aus England schicken, und entwickelte sie weiter, ließ sie nachbauen und verkaufte sie. Grundsätzlich erprobte er sie alle selber.
Eine hervorgehobene Rolle spielt der Pflug, das waren bis ins 19. Jahrhundert in Deutschland Räderpflüge, die viel Kraft kosteten. Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich mit dem Pflug James Small und später Thaer beschäftigt. Er veränderte Streichbrett und Verstelleinrichtung und baute 1796 bereits in Celle einen Pflug, den er später dann nach Möglin mitnahm.
Thaer überarbeitete mit weitere Geräte, Grubber, Maulwursegge, Rübendrillmaschine, die 6 Reihen auf einmal säen konnte, Kartoffelhacke und ‑heber. Letzterer fand derart großen Anklang, dass der Mögliner Schmied mit der Nachfrage nicht nachkommen konnte. – Es kam ja Thaer nicht nur darauf an, die Erträge zu mehren, sondern auch, die Arbeit zu erleichtern.
Grund und Boden sowie Gerätschaften sind wichtig, im Zentrum stehen jedoch Pflanzenproduktion und Viehzucht. Dem widmete sich Thaer intensiv und erfolgreich und machte sich dabei auch als Schnäppchen jagender Kaufmann auf den Weg.
Beim Pflanzenanbau trat er dem „Viel bringt Viel“ entgegen und säte, Dank seiner Drillapparate nur halb so viel Getreide aus. Der Boden wurde locker gehalten und außerhalb des Fruchtwechsels konnten mehrere Getreidearten nacheinander angebaut werden. Den Hülsenfrüchten, u.a. Klee, Lupine und Luzerne, galt sowohl wegen ihres Eiweißgehalts als auch wegen der bodenverbessernden Eigenschaften eine besondere Aufmerksamkeit. Die gerade in Mode gekommene und besonders in Hungerzeiten benötigte Kartoffel war bodenzehrend und düngebedürftig. Das galt auch für die Rüben, die während der Kontinentalsperre zur Zuckergewinnung bedeutsam waren.
Bei der Viehzucht propagierte er die Sommerstallfütterung, so ging weniger Dünger verloren und für den Futteranbau wurde weniger Fläche benötigt. Hinzu kam eine gleichmäßigere Fütterung und besserer Schutz vor Weidekrankheiten.
Er züchtete verschiedene Nutztiere. Auch hier brach er mit einer gern gepflegten und doch so widersinnigen Regel: der Zucht auf äußere Merkmale. Er forderte die „Übereinstimmung aller Theile zum Zwecke des Ganzen“ und keine Zucht auf einzelne und äußere Merkmale, wie es heute leider immer noch u.a. bei Hunde- und Bienenzucht mit dem Körwesen weit verbreitet ist.
Bei der Einführung, Veredelung und Verbreitung der Merinoschafe zeigte sich Thaers vielfältiges Geschick. Die Merinos kommen wohl aus Nordafrika und wurden von Berbern während des Hochmittelalters nach Spanien gebracht. Die “spanische Wolle” war bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Einnahmequelle, sie wurde monopolisiert, auf die Ausfuhr von Merinoschafen stand in Spanien die Todesstrafe.
Napoleons Frau Joephine liebte die Zucht von Merinos und die besten Herden wurden nach Frankreich gebracht. Im Sommer 1815 regte dann Thaer wenige Wochen nach dem Rücktritt Napoleons an, diese Tiere preisgünstig zu erwerben. Er machte ein Schnäppchen und kaufte
150 Schafe, die sich innerhalb von 3 Jahren auf 700 vermehrten. Weitere 5 Jahre später exportierte er einen Teil seiner Tiere samt Schäfer nach Australien und legte damit den Grundstein für die dann später größte Merinohaltung.
Er achtete auf die Verteilung der unterschiedlichen Wolle auf dem Körper der Tiere und förderte die Herausbildung der besonders wertvollen Wolle, fein, dicht und ausgeglichen.
Es gibt unterschiedliche Strategien für die Tierzucht. Thaer verfolgte die Verdrängungszucht, bei der immer wieder Tiere einer anderen Zucht eingekreuzt werden, um ein bestimmtes Merkmal in die Ausgangspopulation einzuführen.
Der Erfolg war derart groß, dass Thaer auf dem Berliner Markt “Wollkönig” genannt wurde.
In über einem Dutzend Orte in Deutschland gibt es nach Albrecht Thaer benannte Straßen, Wege und Plätze, an hervorgehobener Stelle steht in der Mitte Berlins auf dem Schinkelplatz vor der (noch nicht wieder aufgebauten) Bauakademie ein Denkmal Thaers neben Peter Christian Beuth und Karl Friedrich Schinkel. In der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Humbodt-Universität gibt es das “Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der HU”. Die Würdigung ist sehr verbreitet und seine Bedeutung unumstritten.
Albrecht Thaer ist nicht der Begründer einer Ökologische Landwirtschaft, sondern einer Rationellen Landwirtschaft. Mit ihr schuf er die Grundlegung für die 100 Jahre später beginnende Ökologisierung der Landwirtschaft.