Festung Küstrin
Am bekanntesten ist die Festung in der Verbindung mit der Katte-Tragödie. Katte wurde hingerichtet, weil er dem befreundeten Kronprinzen Friedrich II. beim Fluchtversuch vor dem strengen Vater geholfen hatte. Hierüber ist unsäglich viel geschrieben worden und oft nicht zutreffend. Fontane widmet sich dem Thema quellenkritisch auf 45 Seiten seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Er fand das Todesurteil, das nicht das Gericht fällte, sondern der König dann erließ, äußerst hart, jedoch war es “besser, dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme”, so zitiert er König Friedrich Wilhelm. Das öffentliche Interesse galt und gilt ja auch dem Schicksal des Kronprinzen und Katte nur in Verbindung mit ihm.
Fontane sah mit der Vollstreckung des Todesurteils einen dunklen Tag, aber auch den Beginn der Großgeschichte, der “dieses gleich sehr zu hassende und zu liebende Preußen, erwuchs.” — So musste ich es auch noch in der Schule lernen.
Eine ganz andere und äußerst negative Wertung erfährt dieses Preußen durch Historiker wie von Karl Otmar von Aretin, der Friedrich nicht als aufgeklärten absolutistischen Regenten sieht, sondern als Begründer einer verantwortungslosen und machiavellistischen Tradition in der deutschen Außenpolitik.

Mitte des 13. Jahrhunderts wurde Küstrin beim Zusammenfluss von Oder und Warthe gegründet. Zwei Jahrhunderte später erwarb es der zweite brandenburgische Kurfürst Friedrich II. 1535 erbte Johann von Brandenburg-Küstrin die Markgrafschaft Brandenburg-Küstrin, erklärte Küstrin zur Residenz der Neumark und baute es zur Festung aus.
Er ging als Hans von Küstrin und Johann der Weise in die Geschichte ein. Hans war tief religiös und konvertierte zum Protestantismus. Zusammen mit seiner Frau Katharina von Braunschweig verwaltete er effektiv und sparsam sein Land. Katharina setzte sich intensiv für die Durchsetzung der Reformation ein, förderte das Tuchmachergewerbe sowie den Bau von Schulen und Kirchen. Sie war haushälterisch und unterhielt einen Garten. Sie eröffnete zwei Apotheken, in Küstrin erhielten Arme und Bedürftige unentgeltlich Medikamenten. Schließlich legte sie Vorwerke und Melkereien an, die sie selbst verwaltete. Sie war in der Bevölkerung als “Mutter Käthe” äußerst beliebt.
Eine halbe Million Gulden, ca. 30 Mill. €, hinterließen Katharina und Hans, während sein Bruder, Joachim II. Hektor, Kurfürst von Brandenburg, den fünffachen Betrag als Schulden angehäuft hatte. Da die Ehe keinen männlichen Nachkommen hatte, fiel die Neumark an den Kurfürsten von Brandenburg, Johann-Georg, Sohn von Joachims II., wieder zurück. Damit endete die kurze Zeit der Eigenstaatlichkeit der Neumark.
In den folgenden 400 Jahren wurde die Festung kein einziges Mal eingenommen.
1920 ging der Status einer Festung verloren und man begann mit dem Abriss von Festungsanlagen, um Bauland zu gewinnen.
Küstrin wurde im Krieg zerstört und wird teilweise wieder aufgebaut. Straßen und Häuserreste sind erkennbar und altes Bildmaterial liegt vor. Man kann anschaulich herausfinden, wie es einmal aussah:
Zunächst war ich über die Wege und asymmetrische Anlage der Bastionen ein wenig desorientiert, die kleine Skizze Fontanes hat mir dann weiter geholfen.
Eine ausführliche Darstellung zur Geschichte und Gestalt der Festung und deren Restauration hat „Azubi-Projekte“ im Auftrag der Tourist Information Küstrin bereit gestellt: Altstadt & Festung Küstrin.
Historische Führungen bietet der Oderbruchguide Klaus Ahrendt in Küstrin insbes. im Blick auf die Katte-Tragödie sowie in Seelow an.
Die Zerstörung der Festung ist ein sehr dunkles Kapitel aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit:
Am 25. 1. 45 wurde Küstrin wieder zur Festung erklärt und erhielt am 2. 2. einen neuen Kommandanten, Heinz Reinefarth. Dieser war bereits während der Weimarer Republik im Freikorp, der NSDAP und der SA aktiv. Als Soldat war er 1941/42 schwer verletzt und wurde Brigadeführer der SS. Er war für die Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1944 zuständig und befahl, alle Menschen zu erschießen, die nicht deutsch waren. Allein im Stadteil Wola sollen es bis zu 50.000 Zivilisten gewesen sein.
Am 3.2. war Küstrin eingeschlossen, 11.000 Menschen, unter ihnen Volkssturm und HJ. Am 23. und 27. 3. scheiterten zwei Ausbruchsversuche. Am 28. gelang das südlich gelegene Kiezer Tor in die Hände der Roten Armee und Sowjets gelangten in die Altstadt.
Am Nachmittag dieses Tages zog sich der Festungskommandant Reinefahrt mit 1.000 Soldaten auf die Oderinsel zurück, sprengte die Brücke und damit die einzige Rückszugsmöglichkeit für die übrigen. Der Ausbruch erfolgte entgegen dem Führerbefehl, darauf stand die Todesstrafe. So zog sich Reinefahrth unter großen Verlusten mit seiner Truppe in den Westen zurück und ging in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Die übrigen Menschen sind gefallen oder gingen in die sowjetische Kriegsgefangenschaft, am 30. war Küstrin befreit.
Reinefarth kam nach 3 Jahren frei. Er wurde entnazifiziert. Reinefarth war Mitglied im Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), einer reaktionären Partei, die Koalitionspartner im 2. Kabinett Adenauer war. Reinefarth war Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein und von 1951 bis 1964 Bürgermeister von Westerland/Sylt.
Dem entsprach das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik: Reinefarth war Gründer des Lions Club auf Sylt und Vorsitzender der DLRG und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger auf Sylt.
Die Auslieferungsgesuche Polens wurden abgelehnt!
All dies geschah nicht in Unkenntnis der Öffentlichkeit, sondern bewusst und vorsätzlich. Es gab gerade aus dem sozialistischen Umfeld auf Sylt kritische Stimmen und Aktionen, die auf diese Kriegsverbrechen hinwiesen.
Beredtes Zeugnis legt der DEFA-Film “Urlaub auf Sylt” ab. Englischsprachig kann “Holiday on Sylt” auf youtube abgerufen werden.
Seit 2014, also 70 Jahre nach dem Warschauer Aufstand, erfolgen mit öffentlichen und kirchlichen Bekundungen kritische Bewertungen dessen, was während der Nachkriegszeit geschah.