Drei Museen am Rande des Oderbruchs
Die drei Museen sind:
• die Ausstellung der Fördergesellschaft Albrecht Daniel Thaer, Begründer der modernen Landwirtschaft in Möglin,
• das Chamissomuseum, sehr bedeutender Naturforscher in Kunersdorf und
• natürlich das Oderbruchmuseum in Altranft.
Die Tour verharrt jedoch nicht in Museen, sondern geht durch sehr schöne Landschaften des Barnims und des Oderbruchs.
Die Fahrradtour hat eine Länge von 40 km und ihren Verlauf habe ich auf dem Routenplaner komoot veröffentlicht, der kostenfrei genutzt werden kann.
Ich informiere mich im Voraus im Internet über die Öffnungszeiten, da diese sich doch immer wieder ändern. Und wenn ich mit einer Gruppe radel und vorher angemeldet habe, habe ich es schon erlebt, dass mir dann Sonderöffnungszeiten angeboten wurden.
Die körperlichen Anstrengungen mindernd startet die Tour nahe ihrem höchsten Punkt, dem S‑Bhf. Strausberg-Nord. Das ist noch nicht das Oderbruch, sondern die Hochfläche des Barnim, auf der es zunächst kurz über einen Sander auf die Grundmoräne hoch und dann weiter nach Möglin geht.
Möglin ist ein kleines Nest, ich kenne niemanden aus dem Bereich der Biowissenschaften, dem der Ort bekannt war, mich eingeschlossen. Der bedeutende britische Historiker David Blackbourn machte mich in seinem Buch „Die Eroberung der Natur“ darauf aufmerksam, mir gingen die Augen über; es ist die Rede von Albrecht Thaer.
Albrecht Thaer gilt als Begründer der Agrarwissenschaften, vielleicht der Karl Marx der Bauern. Das ist nicht so dahergeredet, orientierte er sich doch wie dieser ebenfalls an dem schottischen Nationalökonomen Adam Smith und nahm mit der von ihm entwickelten Rationellen Landwirtschaft direkt Bezug auf ihn. Und mit der Forderung der Abschaffung der Leibeigenschaft war er auch für die Befreiung der Menschen von feudaler Abhängigkeit, den ungerechten und ineffektiven Zwängen. Dies ist in der sehr gut kuratierten Ausstellung Albrecht Thaer in Möglin zu sehen.
2 km hinter Möglin erreiche ich die Frankfurter Eisrandlage, das Ende der Barnimer Hochfläche und den Rand zum Oderbruch, des Thorn-Eberswalder Urstromtals, es geht von einer Höhe von 60 m über NHN steil bergab auf 9 m über NHN nach Kunersdorf. In dem zerstörten Schloss von Kunersdorf lebte Frau von Friedland, eine ungewöhnliche Frau. Albrecht Thaer besuchte sie zusammen mit dem befreundeten v. Itzenplitz, ihrem Schwiegersohn, und fasste bei einem erneuten Besuch dort den Plan, sich in dem nicht weit entferntem Möglin niederzulassen. Ein Denkmal des Naturforschers und Dichters Adelbert von Chamisso zeugt noch von der früheren Schlossanlage, in der er den Schlemihl schrieb. Im benachbarten Kunersdorfer Musenhof befinden sich zwei unterschiedliche, jedoch ergänzende Angebote:
1. das wirklich gut kuratierte Chamisso-Museum, ich habe da schon viel Zeit verbracht, und
2. das ChamCafé, ich schaue erstmal im Internet nach, was gerade angeboten wird, bevor ich das Angebot den von mir geschmierten Proviantbroten vorziehe (Cham ist das offizielle Kürzel für die Benennung von von Chamisso entdeckten Pflanzenarten).
Von nun an radel ich ohne Gefälle entlang dem Oderbruch. Schon bald wird die ehedem bedeutende Stadt Wriezen erreicht, dem Sitz der Hechtreißerinnung. Am Marktplatz steht eine Skulptur, die von der slawischen Vorgeschichte zeugt, und gleich nach Überquerung der Bahngleise biegt links eine Straße mit dem Namen “Am Hafen” ab. Von einem Hafen ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Hier knickte vor der Trockenlegung des Oderbruchs die von Osten kommende Oder mit einem einst bedeutsamen Hafen nach Norden ab und hier war auch der Sitz der Fischereiwirtschaft, der Hechtreißerinnung (ein Wort, das noch nicht einmal im Duden oder in der Wikipedia steht), einst Preußens Exportschlager.
Auf dem letzten Stück geht es nun entlang der in Mäandern geschlängelt verlaufenden Wriezener Alten Oder nach Altranft zum Oderbruchmuseum. Dies residiert in einem Herrenhaus inmitten eines Landschaftsparks aus dem 19. Jahrhundert. Zentrales Objekt ist die Darstellung der Topografie des Oderbruchs, die Wasserführung der Oder sowie das über 1.000 Kilometer lange Grabensystem mit Schöpfwerken und Wehren. Fotografien von Menschen und Orten aus dem Oderbruch, Filme und Audiostationen stellen das Leben im Oderbruch plastisch dar.
David Blackbourn ein auf deutsche und moderne europäische Geschichte spezialisierter Historiker hat in “Die Eroberung der Natur” die Geschichte der deutschen Landschaft beschrieben (ISBN 978–3‑421–05958‑1).
Das Buch zeichnet sich sowohl durch umfassende Kenntnis der deutschen Kultur als auch durch eine wirklich liebevollen Beschreibung der Landschaften aus.
Im letzten Kapitel “Rasse und Bodengewinnung” behandelt er den Völkermord unter dem Nationalsozialismus.
Das erste Kapitel Eroberung der Wildnis, einer Wildnis aus Wasser und Morast, beginnt mit der umfassenden Darstellung der Trockenlegung des Oderbruchs.
Nach Blackbourn zeichnete Thaer sich durch ganzheitliches und fortschrittliches Denken aus, das sich nicht auf technische Fragen beschränkte, sondern als Gegner feudaler Bindung radikale Erneuerung der politischen Strukturen forderte (S. 114f).