Bild von der Homepage Hof Marienhöhe

1928 erwarb der akade­mi­sche Land­wirt Erhard Bartsch in der Nähe des Schar­müt­zel­sees das Gut Mari­en­höhe. Nach dem Ende des Welt­kriegs hatte der Anthro­po­soph ein Prak­ti­kum auf dem Gut Kober­witz absol­viert, dessen Guts­ver­wal­ter Rudolf Stei­ner sehr zuge­tan war. Bartsch war einer der beiden, die 1924 Rudolf Stei­ner zu einem später legen­där gewor­de­nen Kurs über “Grund­la­gen der biolo­gisch-dyna­mi­schen Land­wirt­schaft” anreg­ten. Wie kam es zu derar­ti­gen Akti­vi­tä­ten?

In der zwei­ten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts entwickelte sich in Deutsch­land und in der Schweiz eine moderne Esote­rik, die Theo­so­phie, deren Gesell­schaft Rudolf Stei­ner als Gene­ral­se­kre­tär vorstand. Er erwei­terte die Theo­so­phie um natur­wis­sen­schaft­li­che sowie christ­lich-abend­län­di­sche Sicht­wei­sen zur Anthro­po­so­phie.

Es war auch die Zeit der Lebens­re­form, die sich gegen Indu­stra­li­sie­rung und Urba­ni­sie­rung wandte, gegen die Moderne, die das Elend des Indu­strie­pro­le­ta­ri­ats und der Kriege brachte. Die Lebens­re­form wandte sich gegen den Mate­ria­lis­mus und strebte nach einem Natur­zu­stand, eine Sicht­weise, die auch der Rudolf Stei­ners entsprach.

Es war eine bunte Mischung unter­schied­lich­ster Initia­ti­ven: Wander­freunde, Nudi­sten, Rhön­rad­fah­rer, Vege­e­ta­rieer, Bildende Künst­ler,  Schrift­stel­ler, Obst­bau­ern, Natur­heil­kund­ler, aber auch völki­sche (teilw. auch rassi­stisch und anti­se­mi­ti­sche) Strö­mun­gen. Die Ausstel­lung des Hauses der Bran­den­bur­gisch Preu­ßi­schen Geschichte “Einfach. Natür­lich. Leben — Lebens­re­form in Bran­den­burg 1890–1939” zeigt dies mit vielen Beispie­len und ist im gleich­na­mige Buch [ISBN 978–3‑945256–23‑7] gut doku­men­tiert.

100 Jahre zuvor hatte Albrecht Thaer, die wissen­schaft­li­che Agro­no­mie begrün­det. Im Zuge der Aufklä­rung entwickelt er eine empi­ri­sche, ratio­nale und ökono­mi­sche Basis, die einen freien Bauern­stand voraus­setzte. Die Abschaf­fung der Leib­ei­gen­schaft war ja auch eine zentrale Forde­rung während der Aufklä­rung gewe­sen.

Während Thaer den Boden und die Produk­tion opti­mierte, um nach­hal­tig wirt­schaft­li­chen Ertrag zu sichern, strebte Stei­ner — nach den Schrecken des Welt­krie­ges und einer drei­vier­tel Million Verhun­ger­ten — zu einer umfas­sen­den Gesun­dung von Boden, Pflan­zen, Tieren und Menschen in einer ganz­heit­li­chen und kosmisch einge­bet­te­ten Land­wirt­schaft an. Beiden gemein­sam ist ein Stre­ben nach Nach­hal­tig­keit und Boden­frucht­bar­keit.

Im Kern betrach­tet Stei­ner das Gedei­hen der Pflan­zen in der Betei­li­gung des „ganzen Himmels mit seinen Ster­nen“ sowie des Lich­täthers der Erde. Äthe­ri­sche Kräfte des Bodens seien zu verbes­sern, denn beim Essen werden nicht nur Substan­zen der Nahrungs­mit­tel, sondern auch „mit den Nahrungs­mit­teln die Leben­dig­keit der Kräfte“ aufge­nom­men. So erfährt die Erde beim Düngen ihre „Verle­ben­di­gung“. Nun mag man derar­tige Betrach­tun­gen als esote­risch ableh­nen – inter­es­sant ist jedoch, dass der Ruf der Verle­ben­di­gung des Bodens ange­sichts der Agrar­step­pen mitt­ler­weile ein weit verbrei­te­ter ist.

In den weite­ren Vorträ­gen dieser Reihe beschäf­tigte sich Stei­ner folg­lich mit der Düngung, der Vermei­dung von Schäd­lin­gen und Pflan­zen­krank­hei­ten, das Verhält­nis von Feld‑, Obst- und Vieh­wirt­schaft. Gleich nach dem Vortrag wurde ein anthro­po­so­phi­scher Versuchs­ring gegrün­det, was über mehrere Etap­pen dann 1932 in der Grün­dung des Bio-Anbau­ver­ban­des Deme­ter seinen Höhe­punkt erreichte.

Bartsch begann sogleich Hecken zur Stei­ge­rung der Biodi­ver­si­tät sowie zur Vermei­dung von Erosio­nen anzu­pflan­zen, Gründün­ge­pflan­zen, Getreide und Hack­früchte. Die herun­ter gekom­mene Rinder­herde galt es aufzu­bauen. Das Modell­hafte dieses ersten biody­na­mi­schen Hofs war das Prin­zip eines geschlos­se­nen Betriebs­or­ga­nis­mus.

Nach dem Krieg zog Bartsch nach Öster­reich und über­ließ den Hof seinen Mitarbeiter/innen. Als öster­rei­chi­scher Besitz wurde er nicht kollek­ti­viert. 1991 schenk­ten seine Erben den Hof dem hier­für gegrün­de­ten Gemein­nüt­zi­gen Verein Mari­en­höhe

Hoffüh­run­gen finden an jedem letz­ten Sams­tag eines Monats statt und haben jeweils spezi­elle Schwer­punkte, die im Inter­net frühz­he­itig ange­kün­digt werden.

Auf armen, sandi­gen Böden mit bis zu nur 8 Boden­punk­ten (der 100-stufi­gen Skala) und Nieder­moor­wie­sen bei trocke­nem Konti­nen­tal­klima werden Kiefern- zu Misch­wald umge­baut, Feld­hecken unter­hal­ten sowie Äcker, Gärt­ne­rei und mit selte­nen Obst­sor­ten bestückte Streu­obst­wiese bewirt­schaf­tet. Das Obst bedarf der Imke­rei und der Vieh­be­stand ist unend­lich schön: Deut­sches Sattel­schwein, Rotes Höhen­rind und Altdeut­scher Hüte­hund.

Wie alle biody­na­mi­schen Höfe arbei­tet Mari­en­höhe nach jähr­lich aktua­li­sier­ten Richt­li­nien des Deme­ter Vereins . Diese sind sehr umfas­send und behan­deln nicht nur Düngung, Saat­gut, Pilze, Obst- und Wein­bau sowie Tier­hal­tung, Fütte­rung und Imke­rei, sondern auch Verar­bei­tungs­richt­li­nien für Obst und Gemüse, Back- und Fleisch­wa­ren, Bier und Wein sowie Kosme­tika, Texti­lien und auch Säug­lings­milch­nah­rung.

Einen hervor­ra­gende Darstel­lung der Entwick­lung und der Ziele der ökolo­gi­schen Land­wirt­schaft gibt das arte-VideoDie Bio-Revo­lu­tion — Die Karriere der ökolo­gi­schen Land­wirt­schaft”.

Deme­ter ist der erste Bio-Verband und heut­zu­tage neben Natur­land und Bioland der dritt­größte. Seine anthro­po­so­phi­sche Ausrich­tung wird immer wieder in der Öffent­lich­keit und in den Medien kritisch disku­tiert, vor allem wegen der Haltung während des Natio­nal­so­zia­lis­mus und spezi­fi­scher als Esote­rik kriti­sier­ter land­wirt­schaft­li­cher Verfah­ren.

Die anthro­po­so­phi­schen Orga­ni­sa­tio­nen waren nicht Bestand­teil des natio­nal­so­zia­li­sti­schen Staa­tes. Führende Vertre­ter, auch Erhard Bartsch, koope­rier­ten jedoch mit ihm, zum Teil in Konzen­tra­ti­ons­la­gern und zum Teil in besetz­ten Gebie­ten, insbe­son­dere in der Ukraine. Ebert, zur Nieden und Pieschel haben dies in “Die biody­na­mi­sche Bewe­gung und Deme­ter in der NS-Zeit” (Metro­pol) detail­liert beschrie­ben. Analo­ges gilt für Weleda.
Das Problem ist, das mit dieser histo­ri­schen Last nicht offen umge­gan­gen, sondern diese seit Jahr­zehn­ten nur peu à peu einge­räumt wird. Der Anthro­po­so­phie damit eine Nähe zum Natio­nal­so­zia­lis­mus anzu­hän­gen, ist jedoch unred­lich und erfolgt in analo­gen Fällen, wie zum Beispiel beim “Verein für Deut­sche Schä­fer­hunde”, ja eben­falls nicht. 
Es gab übri­gens deut­li­che Gegner, z. B. Ita Wegmann, die zusam­men mit Stei­ner die anthro­po­so­phi­sche Medi­zin begrün­dete, und Hans Büchen­ba­cher, der bis 1934 Vorsit­zen­der der “Deut­schen Anthro­po­so­phi­schen Landes­ge­sell­schaft” war und als “Halb­jude” emigrierte.

Die immer wieder die Diskus­sion anhei­zen­den Beson­der­hei­ten der biolo­gisch-dyna­mi­schen Land­wirt­schaft sind unter ande­rem der Einsatz spezi­el­ler Präpa­rate, wie Horn­mist, und die Berück­sich­ti­gung von Mond- und Plane­ten­zy­klen. Die Haltung von Rindern mit Hörnern (und keine horn­lo­sen Züch­tun­gen) ist vorge­schrie­ben sowie die Enthor­nung verbo­ten. Das wird von vielen Menschen kritisch gese­hen, vor allem der Präpa­rat wegen. Ich bin davon nicht über­zeugt, meine jedoch, dass man die Kirche im Dorf lassen solle. Für mich ist wesent­lich, dass die Boden­frucht­bar­keit erhal­ten und mit den Tieren ihnen gemäß umge­gan­gen wird. 96 % der Schweine stehen in Deutsch­land auf Spal­ten­bö­den, kein einzi­ges in einem anthro­po­so­phi­schen Hof. Das zählt und nicht die Frage, ob mit oder ohne Horn­mist und ob mit oder ohne Voll­mond.

Ich bin kein Anthro­po­soph und habe als Biologe mich in frühen Jahren mit Popu­la­ti­ons­ge­ne­tik beschäf­tigt. Wenn Einrich­tun­gen wie der Dotten­fel­der Hof (Deme­ter) mit der Züch­tung von samen­fe­sten Popu­la­tio­nen der indu­stri­el­len Hybrid­züch­tung entge­gen­tre­ten, sehe ich einen wesent­li­chen Beitrag für Biodi­ver­si­tät und wirt­schaft­li­che Unab­hän­gig­keit, ohne die es keinen freien Bauern­stand gibt. Für  mich ist das ein Ideal­bild, doch es bedarf, die  Macht der Konzerne für Saat­gut, Dünger und Lebens­mit­tel zu brechen, wie Schrot&Korn refe­rierte.