Kuppige Grundmoräne

Brodo­win — Plage­fenn — Nieder­fi­now

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Plage­fenn, oh ja, wie oft kalau­erte ich, nomen est omen (der Name ist Programm), die Wege zu Beginn sind eine einzige Plage und dennoch fahre ich seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert immer wieder dort­hin, es ist unend­lich schön.
Und das Wort Plage kommt, wie sollte es auch anders sein, aus dem Slawi­schen und hat einen ganz ande­ren Sinn: Plawe, der Name eines frühe­ren Ortes.

Was aber ist mit den Wegen zu den Plage­ber­gen? Auf einer Strecke von 2 km resp. 3 km, wenn man direkt von Chorin kommt, hat man einen gepfla­ster­ten Weg. In dem Gelände lagen viele Steine, die für Haus- und Wege­bau benutzt wurden. Das Kopf­stein­pfla­ster ist Gestein der Gegend, ich radle da sozu­sa­gen über die Expo­nate einer geolo­gi­schen Samm­lung, das ein unter Schutz gestell­tes Kultur­denk­mal ist.

Die Fahr­rad­tour hat eine Länge von 39 km und es sind insge­samt 200 Höhen­me­ter  zu über­win­den. Ihr Verlauf ist auf dem Routen­pla­ner komoot aufge­zeich­net, der kosten­frei genutzt werden kann. Zwei Vari­an­ten:
- Eine schö­nere Strecke bis nach Brodo­win geht über den Amts­weg, jedoch mit Stei­gung und Holper­pfla­ster ein wenig mühsa­mer. Ab Brodo­win geht es dann auf der erst­ge­nann­ten Karte weiter.
- Möchte man nur das Plage­fenn, nicht jedoch Brodo­win aufsu­chen und eine kurze Strecke zurück­le­gen, gibt es eine direkte Verbin­dung zum Plage­fenn, weiter geht das dann auf der ande­ren Karte.
Bei warmen Wetter muss man im Plage­fenn mit vielen Mücken rech­nen, ich packe Mücken­schutz  ein.
Chorin, Nieder­fi­now und Ebers­walde haben Bahn­an­schluss, so kann man bereits in Nieder­fi­now in den Zug einstei­gen, 10 km weni­ger, jedoch ohne die schöne Strecke am alten Finow­ka­nal.

Chorin ist ein klei­ner und auf Grund seines ehema­li­gen Klosters mit seinem Kultur­pro­gramm recht bekann­ter Ort. Wer das Kloster nicht kennt, sollte sich diesen sehr schö­nen und stil­rei­nen hoch­go­ti­schen Bau anse­hen.

Auf dem Weg nach Brodo­win kreuze ich auf halber Strecke den von den Mönchen ange­leg­ten Nettel­gra­ben. Dieser Graben ist einer der ersten Kunst­grä­ben Deutsch­lands.

Brodo­win ist ein geschichs­träch­ti­ger Ort, der nach der Deut­schen Verei­ni­gung als Ökodorf über­re­gio­nal bekannt wurde. Neben klei­ne­ren biolo­gisch-dyna­misch arbei­ten­den Höfen geht das insbe­son­dere auf die Land­wirt­schafts­be­trieb Ökodorf Brodo­win zurück. In unmit­tel­ba­rer Folge dessen wuchs die Bevöl­ke­rung Brodo­wins seit der Verei­ni­gung entge­gen dem Trend um 10%. Im Hofla­den des Land­wirt­schaft­be­triebs lege ich eine Jause in jedem Fall ein.

Ich empfehle aus drei Grün­den einen klei­nen Abste­cher auf den 81 m hohen Klei­nen Rummels­berg.

  1. Dies ist ein unbe­wal­de­ter Kame oder — die Wissen­schaft­ler sind sich nicht einig — Drum­lin, dessen charak­te­ri­sti­sche Form ich viel besser als die des Os auf der bewal­de­ten Schild­horn­in­sel erken­nen kann.
  2. Am Fuß des Bergs liegt der Wesensee. Wieder­holt sah ich dort große Kolo­nien­der recht umstrit­te­nen Kormo­ra­nen. Deren Gefie­der kann kein Wasser abwei­sen, weshalb die Kormo­rane zwischen den Tauch­gän­gen auf Bäumen sitzen, die Flügel sprei­zen und sich trock­nen lassen.
    Dieser See ist nicht natür­lich, er entstand auf Grund des durch das Fällen von Bäumen vom Menschen verur­sach­ten Grund­was­ser­an­stiegs.
  3. Am west­li­chen Hori­zont ist eine bewal­dete Anhöhe zu sehen, der Grum­sin. Es handelt sich um eine Stau­chend­mo­räne, die mit Buchen bewach­sen ist und zum UNESCO-Welt­erbe Alte Buchen­wäl­der und Buchen­ur­wäl­der der Karpa­ten und ande­rer Regio­nen Euro­pas gehört.

Die weitere Radtour geht durch das Dorf und am Ende rechts nach Süden. Über eine kurze Strecke radel ich bequem auf einem Feld­weg auf einer Grund­mo­räne und dann, fast auf den Meter genau anzu­ge­ben, gelange ich in den Bereich der 2. Parstei­ner Staf­fel. Man sieht es sofort, keine land­wir­schaft­li­che Nutzung, stei­ni­ger Unter­grund und deut­li­cher Anstieg.

Sobald ich die  Plage­berge erreicht habe, geht die Tour durch das Plage­fenn, lange Strecken entlang der Kern­zone, u.a. durch einen Sumpf­wald, in dem Krani­che nicht nur brüten, sondern sich auch ernäh­ren und nicht auf die Felder zum Fres­sen auswei­chen. Es ist das erste 1907 begrün­dete Natur­schutz­ge­biet Deutsch­lands. Zwischen den Plage­seen südlich des Krog- oder Eickert­bergs dürfte der Ort Plawe gele­gen haben, aber da kommt man nicht hin, er liegt mitten in der Kern­zone. Der Reiz des Plage­fenns liegt auch darin, dass es sehr viel­fäl­tig gestal­tet ist, ich lasse mir da immer ein wenig Zeit zum Schauen und Foto­gra­fie­ren.

Hinter dem Possen­berg geht es kräf­tig bergab und ich gelange nach Liepe am Oder-Havel-Kanal nicht weit vom Oder­ber­ger See entfernt.

Zum Schiffs­he­be­werk geht es nun über die L29, wirk­lich nicht schön.
Es gibt eine Alter­na­tive, sobald die neue Lieper Brücke fertig­ge­stellt ist,  auf der Südseite des Kanals. Für diesen Weg gibt es eine geson­derte Karte.

Dies ist ein Teil des sehr schö­nen Radwegs von Oder­berg nach Nieder­fi­now, den ich immer benutze, wenn zum Bahn­hof will. Auf diesem Weg gelangt man über die Lieper Schleuse zum Schiffs­he­be­werk. Nach­dem ich den Kanal über­quert habe, errei­che ich das Ende der Finow dicht bei der Lieper Schleuse des alten Finow­ka­nals. Über diese muss das Fahr­rad einige Stufen hinüber tragen und man fährt dann am Schiffs­he­be­werk entlang.

Das Schiffs­he­be­werk ist Bestand­teil des Euro­päi­schen Wasser­stra­ßen­net­zes und wurde 2022 mit einer zwei­ten Kammer erwei­tert. Das Euro­päi­sche Wasser­stra­ßen­netz soll vom Rhein-Maas-Delta Wasser­stra­ßen durch 5 Staa­ten bis nach Klai­peda (Memel) und an Tscher­no­byl vorbei bis nach Odessa führen sowie mit der Donau verbun­den werden. Es ist wegen der Kosten, des fehlen­den Bedarfs, der Unver­träg­lich­keit für die Umwelt und für die mensch­li­che Gesund­heit sehr umstrit­ten, auch in den Gremien der EU.

Wenn ich nicht in Nieder­fi­now in den Zug steige, sondern das erst in Ebers­walde tun willl, geht es das letzte Stück durch das Finow­tal; zwei Schleu­sen passiere ich da, zunächst die Stecher­schleuse und dann die Ragöser. Nach der Querung der Eisen­bahn radle ich fast die gesamte Strecke durch Ebers­walde bis zum Bahn­hof neben dem Finow­ka­nal – ein wirk­lich schö­nes Ende der Fahr­rad­tour.

Weit­aus  mehr

als ein Reise­füh­rer:

160 Seiten wirk­lich vertänd­lich geschrie­ben.  Das Buch enthält grund­sätz­li­che Infor­ma­tio­nen zu der Gegend, Geschichte, Bewirt­schaf­tung, Natur­schutz sowie fünf ausführ­lich darge­stellte Touren­vor­schlä­gen, Anschrif­ten etc. Die fünfte Tour bedarf einer beson­de­ren Erwäh­nung:

Der Land­kul­tur­pfad — Hof Schwal­ben­nest
(auch eine kleine Migra­ti­ons­ge­schichte)

Seit langem habe ich keine Schrift mehr in der Hand gehabt, die auf unsere eigene Migra­ti­ons­ge­schichte deut­lich verweist und die Slawen ange­mes­sen würdigt.